Pusteblumen

Irgendwann entdeckte ich diese schönen Blumen als Wegbegleiter in der Stadt. Man soll sie sogar mit Genuss essen können, aber in Hamburg gibt es nur wenige Orte, die nicht von Abgasen angefüllt sind, sodass ich den Löwenzahnblättern nicht über den Weg traue.

Vielleicht begann meine Liebe 2007 in Schweden. Wo dort an den Schären so viele Löwenzahnblüten zu finden waren, ist nicht überliefert. Aber ich kann verraten, dass die Inspiration durch den mehrmaligen Genuss des Films „Rivers and Tides“ über Andy Goldsworthy gelungen war (Siehe Filmbeschreibung bei Wikipedia).

2020 entdeckte ich dann Anfang April dieses stolze Exemplar in Hamburg Fuhlsbüttel, direkt am Straßenrand.

Frühjahr 2020? Da war doch was … Es musste viel in Fuhlsbüttel und in der Welt geschehen, damit ich auf „meinen“ Löwenzahn gestoßen wurde:

  1. Umleitung: Für einen Neubau wurden Fußgänger, die eigentlich nur um die Ecke gehen wollten, für mehrere Monate gezwungen, drei beampelte Straßenquerungen zu absolvieren, wo es sonst nur 30 Schritte brauchte.
  2. Weltstillstand: Im Frühjahr 2020 wurden die Gesellschaften der die Welt sozusagen „eingefroren“, und die Covid-Pandemie hatte Vorfahrt für alles. Doch natürlich gab es keinen Stillstand; die Arbeit vieler erfuhr drastische „Umleitungen“. Für mich ergab sich für mich: Home Office.

Ich beschloss, meinen Tag mit einem speziellen Arbeitsweg zu beginnen: einmal um den Häuserblock. Ich wäre den direkten Weg gegangen, aber der Neubau zwang mich zum Ampelweg. Und auf dem begegnet ich diesem zauberhaften Löwenzahn und machte ihn zu meinem Freund.

Dass Löwenzahn mehrere Jahre durchhält – auch an vielbefahrenen Straßen, lernte ich in den nächsten beiden Jahren. Im April 2023 prachtete mein stolzer Löwenzahn so:

Im Herbst und Winter sah es dann wieder aus als wäre es nun endgültig vorbei.

Doch auch Anfang April sah es wieder recht schön aus, wenn auch nicht so prall wie noch im Jahr davor. Das lag daran, dass zwischenzeitlich die Straßenreinigung der Pflanze den Garaus gemacht hatte. Allerdings zunächst nur oberflächlich. – Es wuchs wieder was.

Doch dann, im Juni 2024: Vermutlich hatte das Wiederaufblühen meines Löwenzahns in der Straßenreinigung für Zerwürfnisse, Versetzungen und interne Skandale gesorgt. Zumindest muss es eine Nachschulung gegeben haben, dann jetzt wurde mein Löwenzahn „mit Stiel, Stumpf und Wurzeln“ vernichtet. Wo kommen wir denn auch hin, wenn Löwenzahn macht, was er will?

So sieht es seither bis heute (November 2024) am Poller meines Löwenzahns aus. Mein Freund Löwenzahn wurde mir zum Wegbegleiter. Obwohl ich jeden Tag mit der Straßenreinigung rechnen musste war ich dann doch traurig, als statt seiner betonfarbene Leere am Poller strahlte. Es gilt ja immer auch dies:

Insbesondere ist ein Gegenstand ferner nur Gegenstand, insofern er sich aus meinem Gesichtsfeld entfernen, schließlich also auch aus ihm verschwinden kann. Seine Gegenwart ist eine solche, die nie ohne mögliche Abwesenheit ist.
(Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, S. 115)

Aber es gibt ja noch die Wiesen und Felder …

… und Treppen.